2023 • UI, Information • Figma • Seminarthema »Information Topologies«
Demokratie und Stärkung
der Partizipation
Die Demokratie erfüllt nur dann ihr originäres Ziel, wenn Bürger*innen in demokratische Prozesse eingebunden sind. Wichtig ist deswegen, dass die Bürger*innen motiviert sind, Angebote zur Beteiligung und Mitwirkung entsprechend wahrzunehmen. Werden Angebote politischer Partizipation nicht wahrgenommen oder ignoriert, schadet das der Gesellschaft und Demokratie.


Problem:  Angebote zur politischer Beteiligung existieren, werden aber in unterschiedlichen Zielgruppen abweichend wahrgenommen und genutzt

Angebote, an politischen Prozessen teilzunehmen, Einfluss zu nehmen, zu kommentieren, Kritik zu äußern und Ideen einzubringen, sind umfassend dokumentiert. Festzustellen ist, dass die Beteiligung an demokratischen Prozessen in verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich ist. Ist die Ursache dafür schlicht das Alter und grundsätzliche Interesse an Politik – wie vielfach beschrieben – oder gibt es darüberhinaus Faktoren, die nicht oder seltener problematisiert werden, aber ebenso einfl ussreich sind?

Welche Aspekte die Beteiligungsbereitschaft beeinflussen und welche Erkenntnisse für die Konzipierung demokratischer Angebote und Kampagnen abzuleiten sind, ist in dem Projekt zu erörtern.​​​​​​​
Die Suche individueller Angebote ist mitunter komplex – insbesondere dann, wenn die Informationsangebote die individuellen Filterkriterien nicht berücksichtigen

Informationsangebote, die Filter- und Sortierfunktionen nach Inhalt und Form der Beteiligung anbieten, nicht aber den Umstand abweichender Motivationslagen problematisieren, sind für den Teil der Nutzer*innen unbrauchbar, deren Apathie durch unterschiedliche Bereitschaft zur Beteiligung ausgelöst ist. Das sind Kriterien, die eher übergeordnet die Angebote betreffen, zum Beispiel das Zeitinvestment, der politische Einfluss, die Distanz zum Angebot etc.

Gemäß der Annahme, dass Interessierte genau wegen dieses Umstands in der Vergangenheit bereits negative Erfahrungen bei der Suche passender Beteiligungsangebote gemacht haben, sollte expliziter Fokus auf ein digitales Angebot gelegt werden, das inspiriert und auch die Motivation problematisiert.
„Beteiligung.nrw“ weist gegenwärtig eine Struktur auf, die eher auf umfangreichen Texten basiert und somit – anstelle einer prägnanten, schnellen Orientierung – eine weniger konkrete Informationsbereitstellung bietet. Das Informationsangebot hat demnach nicht nur Defizite in der Filterung bzw. Sortierung der Angebote, sondern ist durch zu umfangreiche Textmengen überfordernd und wenig einladend.

In ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung sollte die Webseite so angepasst werden, dass insbesondere der Prozess des Aktivierens von Interessen, auch jenen, die den Nutzer*innen womöglich gar nicht klar sind, optimiert bzw. überhaupt integriert wird.


Aktivieren von Interesse und Motivation

Die Webseite „Beteiligung.nrw“ ist ein geeignetes Beispiel, um die Probleme gegenwärtiger Informationsangebote zusammenzufassen: Innerhalb der Projektthese, die im Verlauf der Ausarbeitung zu prüfen ist, wird vor allem die Herausforderung des „Aktivierens von Interessen“ hervorgehoben. Ausgehend von der Annahme, dass just diese fehlende Aktivierung eine Hauptursache ist, die ausbleibende Beteiligung an demokratischen Prozessen bewirkt, ist auch die Webseite des Landes NRW zu bewerten. Es zeigt sich, dass das Design-System der Webseite zwar klar und grundsätzlich übersichtlich ist, der eigentlichen Problemstellung aber wenig gerecht wird: Statt nur zu informieren, Nutzer*innen auch zu inspirieren. Informationsportale, die nüchtern und mit einfachen Filtern informieren, sind berechtigt, können aber nur schwerlich anregen und zur Beteiligung motivieren.
Die Ursachen ausbleibender Motivation und Interesse an politischen Prozessen sind komplex. Die traditionelle Vorstellung von „Politikverdrossenheit“ – vor allem der jungen Altersgruppen – ist zu eindimensional.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die traditionelle Annahme eines generellen Desinteresses junger Menschen an demokratischen Prozessen revidiert werden sollte. Die verstärkte Nutzung digitaler Medien und sozialer Plattformen als Kanäle politischer Kommunikation könnte einen entscheidenden Einfluss auf die gestiegene politische Aktivität junger Menschen haben. Diese Plattformen ermöglichen einen unmittelbaren Zugang zu politischen Diskussionen und fördern eine verstärkte Interaktion, was wiederum das politische Bewusstsein und Engagement steigert. Auch haben soziale Netzwerke und digitale Plattformen im vergangenen Jahrzehnt spezifische Themen hervorgebracht respektive katalysiert, die für junge Zielgruppen gegenwärtig omnipräsent und von erhöhtem Interesse sind.
Informationsüberflutung und fehlender Überblick als Ursache fehlender Motivation junger
Menschen

Ein Faktor ist die Informationsüberflutung. Junge Menschen sind in einer Welt der Informationsüberflutung aufgewachsen, insbesondere durch soziale Medien. Die Vielzahl an politischen Informationen kann überwältigend sein und zu Desinteresse aufgrund von Überforderung führen, was sich dann auch bei der Motivation zur Beteiligung an demokratischen Prozessen zeigt.

Auch ist die fehlende Relevanz vielfach eine Ursache. Wenn politische Themen als irrelevant oder nicht direkt auf die Lebensrealität junger Menschen bezogen wahrgenommen werden, kann dies zu Desinteresse führen. Das Gefühl, dass politische Entscheidungen keinen Einfluss auf ihr tägliches Leben haben, kann die Motivation zur Beteiligung mindern.


Mangelnde politische Bildung und mangelndes Verständnis der Relevanz von Politik und Demokratie als übergeordnetes
Problem

Unzureichende politische Bildung in Schulen und Bildungseinrichtungen kann zu einem eingeschränkten Verständnis politischer Prozesse und Themen führen. Das Fehlen dieses Hintergrundwissens kann das Interesse verschiedener Zielgruppen an politischer Teilnahme verringern, ist durch angepasste Informationsangebote aber nur schwerlich zu lösen und demnach ein übergeordnetes Ziel, das insbesondere durch eine strukturellen Wandel der Bildungseinrichtungen gelöst werden muss, Schwierigkeiten bei der Identifikation mit politischen Akteuren gilt als einer der wesentlichsten Faktoren. Die Schwierigkeit, sich mit Politiker*innen zu identifizieren, die womöglich nicht die eigenen Perspektiven oder Anliegen repräsentieren, kann Desinteresse hervorrufen. Das subjektive Gefühl geringer Sichtbarkeit und Einflussnahme ist problematisch. Die Wahrnehmung, dass Menschen in politischen Entscheidungsprozessen wenig Einfluss haben oder dass ihre Stimmen nicht gehört werden, kann zur Apathie führen.


Mangel an Partizipationsmöglichkeiten und Abkehr von lokalen politischen Themen

Das Fehlen innovativer und partizipativer Plattformen, die den Kommunikationsstil und die Präferenzen junger Menschen berücksichtigen, kann zu Desinteresse führen. Diese Erkenntnis deckt sich mit Umfragen innerhalb junger Zielgruppen.

Auch die Globalisierung und Entfremdung von lokalen Politikangelegenheiten ist relevant. Durch die Globalisierung kann der Fokus auf internationalen Angelegenheiten dazu führen, dass lokale politische Themen als weniger relevant wahrgenommen werden, insbesondere wenn die Auswirkungen auf globaler Ebene als dominanter erscheinen – das betrifft grundsätzlich alle Zielgruppen. Dieser Umstand wird durch soziale Netzwerke maßgeblich verstärkt.
Ältere Zielgruppen, die sich der Notwendigkeit politischer Partizipation bewusst sind und dieser Fokus bereits ausgeprägt ist, müssen insbesondere übersichtlich und klar informiert werden – das bedeutet, Beteiligungsangebote nach dem eigenen Motivationsgrad zu filtern, in der Ausgestaltung der Interaktion aber konventionell und zweckorientiert zu bleiben, beispielsweise in der aktuellen Form der Seite „Beteiligung.nrw“.


Interaktiver Ansatz: Kontextualisierte Ansicht

Das Prinzip „kontextualisierter Projektkarten“ innerhalb eines Rasters macht die Suche und das Erkunden passender Beteiligungsmöglichkeiten interaktiv. Funktionsweise ist, dass die vertikale und horizontale Achse mit Faktoren bzw. Kriterien belegt werden können, die unmittelbar mit der Motivation zusammenhängen, zum Beispiel
eine Achse, die von „lokal“ bis „global“ reicht, und eine Achse, die von „aktiv“ zu „passiv“ reicht. Die Projekte
werden dann in dem Koordinatensystem entsprechend
eingeordnet.

Ohne dass von Nutzer*innen erwartet wird, konkrete Kategorien für sich selbst vorzudefinieren, kann so eine
Orientierung innerhalb der Angebote gewährleistet werden. Die Belegung der Achsen wird den Nutzer*innen mit vorgegebenen Faktoren freigestellt wird. Auf diese Weise wird die Darstellung der Angebote – über das gewöhnliche Listenformat – in einen „Informationsraum“ integriert.

Ziel der Ausarbeitung ist eine Ergänzung zu dem bestehenden Angebot des Landes NRW. Die Gestaltung ist dabei offen, sodass das Konzept und Ideen auf andere Institutionen übertragbar sind. Kern ist die Entwicklung eines interaktiven Ansatzes, um den unterschiedlichen Motivationslagen der Benutzer*innen zu entgegnen und einfache Auflistungen zu vermeiden.
Vier Funktionen sind für den Prototypen wesentlich:

Das Onboarding dient dazu, das „Motivationsprofil“ der Nutzer*innen zu erstellen. Wichtig ist hierbei, dass Nutzer*innen nicht mit technischen Begriffen überfordert werden, sondern Formulierungen gefunden werden, die der Sprache und Nutzungsabsicht der Nutzer*innen entsprechen.

Die Kompaktdarstellung umfasst die Rasteransicht (Inspiration) und die Listenansicht (Information), diese werden je ergänzt durch die Detailansicht.

Nutzer*innen können aus der Detailansicht heraus zu externen Seiten weitergeleitet werden.

Nutzer*innen können Projekte favorisieren bzw. speichern.
 Idee des Projektes ist ein interaktiver Ansatz, der als Vorlage universell eingesetzt werden kann

Aufgrund des Bezugs zu dem Angebot „Beteiligung.nrw“ wird in dieser Ausarbeitung das Webangebot in die Gestaltung einer mobilen Applikation übertragen, wobei die im Vorprojekt und Konzept beschriebenen Kriterien berücksichtigt werden. Die Gestaltungsparameter, also Farbgebung, Typographie etc., sind in dieser Ausgestaltung an das Corporate Design des Landes NRW angelehnt, um die Ausgestaltung als „Anwendungsbeispiel“ aus Perspektive des Landes NRW zu positionieren – grundsätzlich ist die Idee und das Konzept allerdings übertragbar auf andere Fälle bzw. Institutionen.
Aufgrund des Umfangs der Arbeit und zur Sicherheit sind im Rahmen des Portfolios nur oberflächliche Einblicke möglich.
Genauere Details zu der Arbeit können auf Anfrage zugesendet werden.

© FH Aachen 2023-2024, Information Topologies, Prof. Dipl.-Des. Oliver Wrede, Tobias Merkel. 
Alle Rechte vorbehalten.

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